Was ist Zeit? Gibt es Zeit überhaupt real oder existiert sie vielleicht nur als Kategorie des menschlichen Geistes? Unwillkürlich legen wir sie an die Dinge an, jedes Geschehen hat seinen Zeitpunkt, der sich auf ein paralleles oder verschobenes Stattfinden anderer Geschehnisse bezieht. Unsere Zeitrechnung schließlich basiert auf einer skalierten Unterteilung von Planetenbewegungen, also dem Ablauf gleichförmigen Geschehens am Himmel, beobachtet von unserem (auch schon bewegten) Bezugssystem aus. So hat eine Stunde die reale Entsprechung einer Skaleneinheit bei entsprechend unterteilten, auf unser System bezogenen makrokosmischen Prozessen. Im 20. Jahrhundert hat man dies dann in Entsprechung zu den Schwingungen eines Quarzkristalls oder atomaren Angleichungsprozessen gebracht. Gemäß den neuen Erkenntnissen, dass eine Eigenbewegung des Zeitnehmers die Zeitnehmung real beeinflusst, wurde jene sozusagen ins Innere der Materie verlegt.

Wenn die Eigenbewegung eines Systems zu schnell wird und sich damit der Verlauf der Zeit anzeigenden Prozesse ändert, wie bei dem bekannten Beispiel einer Uhr im Flugzeug, kann man z. B. nicht eindeutig mehr von einer Stunde sprechen. Und das ist inzwischen Allgemeingut geworden: „Es gibt nicht die Zeit!“ Spätestens seit der Relativitätstheorie wüssten wir das. Trotzdem objektiviert sich unser Begriff der Stunde schon, sowie wir nur seine Systembezogenheit bedenken. Daraus gewinnen wir zwar noch nicht die Stunde, aber die Absolutheit eines Verhältnisses: Wir sind es, die Zeit bemessen und darüber reflektieren. Zeitbemessung bringt einen Zeitbegriff hervor, und ein solcher ist per se relativ sowohl zum Begreifenden als auch zum Begriffenen. Nicht die Zeit als womögliches Absolutum ist dabei ins Wanken gekommen, sondern nur die Absolutheit jeglichen Zeitbegriffs. Dieses Verhältnis aufzuhellen ist aber tatsächlich weniger ein Feld der Physik als eines der Philosophie.

Zumeist wird es verrechnet in einen Topf geworfen: Zeitlichkeit, wie sie anhand vermessbarer Abläufe zu eruieren ist, und Zeit, wie sie ihrem originären Sein nach zu definieren sei. Damit sind nicht die ‚originären’ Erlebensmuster von Zeit gemeint, versteht sich, welche von der aktuellen Zeitforschung beschrieben werden und die sowieso beim subjektiven Erleben endigen. Es geht hier um den Anspruch der Physik, die Zeit objektiv als relativ definieren zu können. Ein verfehlter Anspruch.

Seit der Relativitätstheorie wird die Zeitlichkeit von Ereignissen meistens gleichgesetzt mit der in ihnen ‚enthaltenen’ Zeit, also einem prinzipiell herausrechenbaren Faktor ihrer Dynamik. Die Zeit wäre nichts anderes als Teil des dynamischen Auftretens von Dingen. Man reduziert sie faktisch auf einen vermessbaren Eintrag in Wirkzusammenhängen. Vereinfacht dargelegt: Wenn etwa Geschwindigkeit als Weg pro Zeit bestimmt ist, V = s/t, dann eben die Zeit als Weg mal Geschwindigkeit – die Zeit (!) Das setzt sich fort bis in die komplexesten Berechnungen, man identifiziert den Faktor t  in den physikalischen Gleichungen mit der Zeit als solcher. Aber t, das ist nichts weiter als Fortbestand innerhalb einer schon auf etwas bezogenen - das auch seinerseits schon zeitlich eröffnet sein muss - Zeitrechnung. Darauf sind unsere physikalischen Größen abgestimmt, vom Gewicht bis zur Elektrizität definiert sich alles in Abhängigkeit von gemessenen Zeitabläufen innerhalb von Bezugssystemen. Und wenn auch Albert Einstein genialisch eine feststehende Begrifflichkeit zu Energie und Materie aufgebrochen hat - sagen wir auf einen Komplementär-Urstoff hin, der gemäß Bewegungsverfasstheit wandelbar raumgreifender oder massezentrierter in Gestaltungen tritt ‑, waren seine Terme positiv doch Formelumwandlungen, die weiterhin streng auf Weltvermessungsbegrifflichkeit bezogen blieben und von daher erkenntnistheoretisch begrenzt.

Einstein hat die Begriffsverwiesenheit in der wissenschaftlichen Daseinsannäherung modifiziert, aber dabei eher noch verschärft als überwunden. Er operierte weiter mit konventionell herangebildeten Begriffen und Abstraktionen, ihre empirische Abgleichbarkeit zwar neu herausfordernd, diese klassische Begrifflichkeit aber doch allzu kühn einbringend in seine synthetischen Begriffe, auf die sich jemand, so er Einstein folgen will, mit einiger Vehemenz verwiesen findet. Das ist vielleicht grundmenschlich, doch hat er eben nicht die Verbindung von Raum und Zeit aufgedeckt, sondern jene von Masse, Energie, Bewegung und Räumlichkeit systemtheoretisch homogenisiert.

Unsere Raumfahrt verdankt sich zwar, so wie manch andere Arbeitsfelder der Gegenwart, dem relativistischen Aufbrechen eines vormals plastifiziert aufgefassten euklidischen Raums, aber nicht der neuen Raum-Zeit-Lehre. Raumstationen und Satelliten werden platziert anhand relativistisch berechneten Masseverhaltens in Schwerefeldern, ohne dass man sich aber darum kümmern müsste, ob das nun auf eine Raumkrümmung zurückgeht oder auf eine sonstwie definierbare Fernwirkung von Massen. Man arbeitet mit empfangenen Signalen, zwar in anspruchsvollen, RT-basierten Algorithmen hochgerechnet, aber nicht mittels Raumpositionen auf einer Zeitachse etc. Solch explizite Modellhaftigkeit wird den Gymnasiasten eingepaukt, aber nicht im NASA-Rechenzentrum exerziert, sie ist weiterhin der Theoretischen Physik vorbehalten.

Die Moderne Physik mit/nach Einstein hat die ballistischen Berechnungen unserer Raumfahrtbehörden möglich gemacht, aber auch einem systemimmanent totalitären Verständnis des Seins den Boden bereitet. Es wurde zwar eine neue – im Mikro- und Makrobereich erst praktikable – Bestimmung von Materie~Energie eröffnet, aber dazu eine abenteuerlich hypothetische Philosophie über Raum und Zeit begründet. Die kategorialen Zuordnungen und Einstufungen ihrer Begriffe – was sagt etwas aus -  sind oft geradezu unontologisch zu nennen. Dem entsprechend wird es dann schlichtweg übersehen, wenn etwas, das eigentlich erwiesen werden soll, schon in die Grundbegriffe der Beweisführung eingepackt ist. „Wenn die Lichtstrahlen durch große Massen abgelenkt werden,“ so erklärt man uns etwa, „dabei aber die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gewährleistet bleibt, muss es eine Raumkrümmung geben.“ Für sich ein schlauer Gedanke, aber begrifflichkeitsimmanent und in seiner Stoßrichtung ein Zirkelschluss. Es wird schon vorausgesetzt, dass die Lichtstrahlen durch Raum eilen, dass also der eingebrachte Begriff Raum ein Positivum darstellt.

Anhand der Naturkonstante Lichtgeschwindigkeit absolute Aussagen über Zeit und Raum zu machen, erscheint zunächst sehr naheliegend und ganz und gar nicht von einer synthetischen Warte aus gedacht. Experimentell bestätigt hat das Licht auch Massecharakter und interagiert mit (großen) Massen. Und wenn eben das Licht durch große Massen abgelenkt wird, dann werden seine 300 000 Kilometer pro Sekunde auf einer krummen Linie zurückgelegt. Das Licht zeigt uns demgemäß absolute Wege, aber keine absoluten Entfernungen an. Einsteins bekannte Lösung, dass die absolute Konstante Licht sehr wohl absolute Entfernungen mitteilen könne, aber nicht mehr in einem gleichförmig dreidimensionalen Raum, hat uns den Gekrümmten Raum beschert. Das ist so innerphysikalisch genial wie metaphysikalisch doktrinär. Eine krumme Lichtbahn innerhalb eines krummen Raumes ‚gerade’ zu machen, und wenn auch unter Hinweis darauf, dass hier unser Vorstellungsvermögen gesprengt wäre, verlegt diese (die Bahn wie den Raum) doch wieder in unsere ureigene dreidimensionale, real dabei als übergeordnet veranschlagte Betrachtungsweise. Es liegt hier also eine zwar erkenntnistheoretisch zurückgewiesene, aber praktisch doch vollzogene Fehlbetrachtung von Räumlichkeit als solcher vor.

Gerade die Populärwissenschaft kümmert solches wenig. Die Relativitätstheorien bestätigen sich laufend aufs neue, also lässt sich auch bedenkenlos auf ihren Begriffen reiten. „Die Anziehungskraft ist eine geometrische Eigenschaft des gekrümmten Raumes“ heißt es bei Einstein im nächsten Schritt, und so verkünden es auch seine Adepten in den Medien ohne mit der Wimper zu zucken. Aber so wird Begrifflichkeit verabsolutiert, die Wirklichkeit – ja die Totalität des Seins – auf reine Begriffe gemünzt und wie bedingungshaft schon in Begrifflichkeit angedacht. Geometrie und Mathematik sind allerdings theoretische Wissenschaften, die, bei aller Anforderung, der Wirklichkeit gerecht zu werden, diese notwendigerweise in eine eigene Idealität der Beschreibung überführen. Beide Disziplinen spielen den angewandten Wissenschaften nur zu, und wo das umgekehrt geschieht – durch Experimente etc. ‑, machen sie aus den Beobachtungen auch sofort wieder abstrakte Figuren. Und auch der solcherart wissenschaftliche Raum ist weiterhin nur ein Abstraktum.

Dass er uns aufklingt als unhintergehbare Bezeichnung für etwas, und zunächst, dass er die Wissenschaft so motiviert, ihn zu erobern, vielleicht umzudeuten, jedenfalls amtlich zu deuten, rührt von seiner Synonymität zu dem tief tradierten Grundbegriff Raum her, wie er durch Erdzeitalter der Menschheit auf uns gekommen ist, ausgestattet mit einem urgründig mythischen Aspekt. Wer den Raum hat, und das gilt genauso von der Zeit, hat demgemäß ewige Wahrheitsfragen beantwortet. Eine ungeheure Faszination liegt darin. Aber es stellt sich die Frage, ob die Physik wirklich diesen Begriff beanspruchen darf. Sie hebt ja schon im methodischen Ansatz auf reine Vermessbarkeit ab, und ihre Modellbildung auf irgendwie darstellbare Verhältnishaftigkeiten. Tut das jener tradierte Ansatz, von dem die gegenwärtige Naturwissenschaft (wenn auch oft in Kontrastierung) ihren Nimbus als Wahrheit aussprechende bezieht, auch?

Wir werden der Frage nicht im einzelnen nachgehen, schon gar nicht angesichts der vielfältigsten Metaphorik, die es hier auszuloten gälte, sondern fragen ganz trocken: Kann von einem Raum gesprochen werden? Was sehe ich etwa, wenn ich in eine Landschaft blicke? Wolken, Bäume, Sterne usw. Das lässt sich empirisch zuverlässig und damit allgemein zugänglich festhalten. Wenn ich aber sage, ich sehe Weite, liegt darin schon eine Synthese mit rein subjektiven Aspekten, es handelt sich um Abstraktion, die eben nicht mehr empirisch zuverlässig repräsentierbar ist. Immer aufs neue muss sozusagen der Abstrahierende vor Ort sein, um von dieser ‚Weite’ reden. Und vollends trifft das zu, auch wenn das nun wieder kaum jemand wahrhaben will, wenn ich vom Raum spreche. Aufweisbar, also in verlässlich herbeiführbarer Empirie repräsentierbar, existiert nur, womit ‚er’ gefüllt ist, natürlich auch in Eigenschaften wie Ausdehnung, Bewegtheit, aufeinander bezogenen Abständen und Positionen, Durchkreuzbarkeit von elektromagnetischen Wellen, die kein Trägermedium brauchen, und so weiter, also dessen Verfügtheit in räumliches Existieren. Aber diese jeweils konkreten ‚Raumfüllungen’ machen nicht den Raum real. Es ist real, dass wir solche Bezogenheiten und Qualitäten erfahren und sie durch Vergleichung auf eine Weise bestimmen können.

(Doch wer es nun wieder mit Kant hält und das Ganze umdreht – wir könnten überhaupt nicht von einem Raum an sich sprechen, weil jede Vorstellung davon erst aus der menschlichen Erfahrungskategorie Räumlichkeit entspringe ‑, trifft eine genauso absolute Aussage über den Raum. Hierzu müsste sachlich eruierbar und empirisch abgleichbar sein, was Menschen mit ‚Raum’ eigentlich meinen; nicht, wie sie ihn definieren würden, sondern, was in ihnen vorgeht, wenn sie diese Abstraktion vollziehen. Das ist in sich unmöglich, und so ist auch die De-Verabsolutierung von Raum und Zeit zu Parametern der Wahrnehmung unzulässig.)

Gerade eine zu plastische Positivierung wurde ja, in kritischer Auseinandersetzung mit der Allgemeinen Relativitätstheorie, schon recht früh thematisiert. Raum und Zeit dürften nicht als verzerrbare Realien aufgefasst werden. Trotzdem wurde die alte ‚Buchstäblichkeit’ fast übergangslos durch eine neue ersetzt. Die herkömmliche Raumvorstellung konnte man nicht aufrechterhalten, aber blieb dabei, dass es den Raum als solchen geben musste. Wir wollten unser Abstraktum retten und dazu modifizierten wir es. Aber diesen gekrümmten Raum gibt es weiterhin ebenso wenig oder so viel wie den idealen euklidischen Raum. Es gibt aufweisbar nur eine Korrelation von Wirkungen, die eben früher innerhalb eines ebenmäßigen Systems berechnet und aufeinander bezogen wurden, und jetzt im Atomzeitalter innerhalb einer progressiv aufgefassten Räumlichkeit. Beidemal wurde bzw. wird eine Arbeitsdefinition als wahre Identifikation von etwas genommen. Und gerade auch mit der Negation, d. h. unter Betonung, dass hier etwas nicht als etwas zu identifizieren sei, vollzog man (real seelisch) Identifikation. ‚Mit den Gegenständen würde auch der Raum verschwinden’, so erklärte Einstein einmal die neue Räumlichkeit. Das war nicht nur ein Zugeständnis an den eingeschränkten Verstehenshorizont des Interviewers, es lag dem eine (wenn auch negativierte, so doch getroffene) Identifikation des Räumlichen als eigener Seinseinheit zu Grunde.

Dem Raum als einer von physikalischen Wirkungen unberührten Eigengröße folgte die ‚innerphysikalisch‘ sich erschöpfende Raumzeit: So wie die Zeit erst mit den Ereignissen wird, so auch der Raum erst mit den Gegenständen, besser gesagt mit ereignishafter Gegenständlichkeit erst die Raumzeit. Und daraus folgt: Alles ist immer schon in Raumzeit, und jene wird immer erst mit allem. Das ist aber kein höheres Paradoxon, sondern ein Kurzschluss des Denkens, genauer: Eine Denkfolge unter beibehaltenem Anspruch auf eruierbare Gegenwertigkeit des Gedachten (Raum und Zeit bleiben als Raumzeit prinzipiell berechenbar) schlug unvermerkt um in einen Denksprung, der gelten soll ohne besagten Anspruch. Der – riesige – Sprung zum Ursächlichen besitzt keinerlei Ableitbarkeit aus den Raumzeit-Konzept; dieses muss a priori als allumfassend veranschlagt werden.

Dass die fortschreitende Ausdehnung des Universums wiederum als Ausdehnung der Raumzeit selbst und nicht des Dinglichen verstanden wird, also etwa auch mit Überlichtgeschwindigkeit erfolgen kann, wie im Anfangsstadium des angenommenen Urknalls, stellt ohnehin einen sehr erklärungsbedürftigen Meta-Fall in einem ansonsten homogenisierten Gefüge von Bezügen und Bezugsrechnungen dar. Man bedenke: Nur eine stringente ‚Hochrechnung’ der strukturellen Natur der Materie – übergänglich raumexpansiver oder massezentrierter zu sein - auf die Ganzheit des Alls lässt ja die Idee Raumzeit erst greifen. Nur wenn sie überall etwas Dingliches vorfindet, das sich seiner inneren Struktur nach der Raumzeit verdankt, von den subatomaren Bewegungsvariationen bis zu den gedehnten Lichtwellen bei der Rotverschiebung, kann diese Idee Gültigkeit haben. Das schließt natürlich aus, dass es irgendwo und irgendwann auch eine Raumzeit für sich geben könnte, oder: man befindet sich schon mitten in hypothetischer Spekulation bei gleichzeitiger Auflösung des Konzepts.

Derlei Widersprüche im System werden typischerweise damit wegerklärt, dass eben unser Geist mit solchen Ungreifbarkeiten nicht umgehen könne. Unser Denken wollte hier ein Dynamisches in statische Betrachtbarkeit überführen etc. „Alles ist schon in Bewegung, vom Elektron bis zum expandierenden Weltraum, und da drin sind Raum und Zeit als konstitutive Parameter bereits enthalten, und auch die Weiterentstehung dieser Raumzeit. Der Urknall hat das seine getan, jetzt geht’s weiter und weiter, bis das Ganze irgendwann implodiert.“ Solche Antworten belegen aber nur, dass sie die Frage nicht gefunden haben, nämlich die nach dem dimensional Ursächlichen.

Indem die Zeit als Vierte Dimension in unsere Weltvermessung hereingenommen wurde, hat sich auch unsere Seinsbetrachtung verändert. Dass die Zeit auch vom Raum bedingt werde, also relativ zu ihm sei (und beides in der dynamischen Raumzeit aufginge), ist eine Aussage von tiefgreifendster Bedeutung, und solche Relativität – zum stehenden Begriff in Erkennungsprozessen geworden - immunisiert schon begriffstechnisch gegen ihre eigene Relativierung. Wie wir die Grundlagen der Welt sehen wollen, ist in eine Aporie der Relativität eingekapselt, die sich selbst genügt. Jene vierte Dimension – die Raum-Position auf der Zeitachse - zu definieren, um dann jede ontologische Schichtung von Seiendem aufzulösen in der Raumzeit als einer Superdimension des Einfach-Seins, schafft die Dimension des Ursächlichen nachgerade ab. Und verkennt jegliche Erfahrbarkeit einer Hierarchie des Seins.

Begriffe wie ‚Gekrümmte Raumzeit’ oder ‚Raum-Zeit-Kontinuum’ verdunkeln den Sein vermittelnden Impuls des Zeitlichen. Jeder Gegenstand ist zwar schon unterwegs, wenn wir ihn vermessen, auch der Berg, den die Gravitation zum Erdmittelpunkt zieht. Die Zeit erfasst aber nicht nur den Status seines Unterwegs-Seins und – so weit davon bedingt - energetisch~raumgreifend gestaltlichen Seins, sondern auch die Tatsache seines Da-Seins, seine Zugehörigkeit zur Gesamtheit alles Dinglichen, die jetzt ist. Das lässt sich freilich nicht physikalisch aufweisen, sondern allein erlebnishaft wahrhaben, etwa aus einem rätselhaften Selbsteindruck von Zeitüberhobenheit heraus, also von einem erlebten Verhältnis zur Ganzheit des Dinglichen her.

Wohl haben uns verschiedene Wissenschaften längst darüber belehrt, dass solche Eindrücke Illusionen oder Projektionen seien, die z. B. einem evolutiven Zweck dienten; auch hier ist aber zu fragen, welcher – unterschwellig dynamisierten – Motivik jene wissenschaftliche Ideenfindungen wieder unterliegen. Und keine, erst recht keine methodische, Wissenschaft kann unseren Daseinseindruck umfangen. Sie kann ihn höchstens aushebeln, indem die Menschen dann ihrer tieferen Eindruckshaftigkeit nicht mehr trauen.

Was immer so kryptisch als Relativität der Zeit beschrieben wird, ist jedenfalls ein hochgradig synthetisches Konstrukt des Denkens und entspringt konkret einer verabsolutierenden In-Eins-Setzung von Zeit-Tatsächlichkeit und Zeitnehmbarkeit. Relative Zeitlichkeit, ermittelt aus Prozessen, die zueinander in Beziehung stehen, im gelebten Alltag durchaus mit einer metaphorischen Note als ‚Zeit’ geführt, ist unter den Händen der Wissenschaft zu der Zeit als solcher geworden. Diese aber bezeichnet, so ist das unserer unmittelbaren Intuition gegeben, die Seinsdauer des ganzen Zusammenhangs.

Zeit : tief und unmittelbar ist sie das stets neue Dass des Alls, das parallele Sein alles Jetzigen, aufgewiesen durch die menschliche Grunderfahrung eines Nebeneinander-her-und-darin-Miteinander-Geschehens. Diese Zeit mit den Dingen übersteigt den Zeitbegriff der klassischen Physik von einer Zeit ohne die Dinge, aber auch den der modernen Physik von einer Zeit in den Dingen.

Die klassische Physik betrachtete die Zeit als Medium, das unabhängig von den Dingen ‚träge dahinfließt’ (I. Newton), also vorausliegend einfach da ist. Sie war aber damit auf eine Weise noch näher dran am Wesen des Zeitlichen als die moderne Physik. Denn für letztere existiert alle Zeit erst in den Dingen, und beides, in einem gemeinsamen Sein, ist einfach da, unvermittelt. Da ist kein Platz für Seinstiefe, etwa eine Unterscheidung Hervorrufendes Sein und Hervorgerufenes Sein, auch nicht für eine Zeit als Medium des Stattfindens. (Unsere Zeit mit den Dingen hier noch präzisiert als Zeit in die Dinge.) Doch so erleben wir sie, ursprünglich.

Leider ist mit der Relativitätstheorie die Überlistung unserer grundmenschlichen Auffassungsnatur fast zu einer Art Beweis dafür geworden, dass sowieso alles ganz anders ist. Das lässt man sich genüsslich auf der Zunge zergehen. Auf allen populärwissenschaftlichen Ebenen werden pseudophilosophische Folgerungen aus diesen Gleichungen verbreitet. Dabei weiß man nicht eigentlich, wovon man spricht, bzw. hat die Frage nach einem Wesen der Dinge als prinzipiell unlösbar oder gar unsinnig abgeschafft. Das schematische Fachdenken verselbständigte sich konsequenterweise, jedwede Metaphysik in dem Bereich fast eliminiert.

Die ontologische Konfusion wird auch, wie schon kurz beschrieben, recht entscheidend bedingt durch ein Fehlverständnis davon, was uns das Licht über den Zusammenhang von Zeit und Raum mitteilen könnte. Grob formuliert: Das Licht ist überall gleich schnell, weil es als elektromagnetische Welle kein Trägermedium braucht. Es bewegt sich aber auch mit der unübertrefflich größten Geschwindigkeit, denn was sollte schneller sein als ein Photon (als Quantisierung des Anregungszustandes von Atomen sozusagen ein durch Bewegtheit  geschaffenes Teilchen), ohne vorher schon Licht geworden und somit ‚als Materie' auch schon wieder aufgelöst zu sein, weil ja das Photon komplementär auch Welle ist. An diesem absolut äußersten und zugleich überall gültigen Übergangspunkt des ‚Stoffs aus dem alles ist‘ – ob als Materie, teilchenartig, oder als Energie, wellenförmig - verflossen also Raum und Zeit. Das Licht sozusagen als Absolutum der Verbindung von Raum und Zeit. (Und welche Blüten das getrieben hat: Das Licht als Zeit-Trägermedium, Zeitreisen, wenn es uns möglich wäre schneller zu sein als das Licht...)

Vom ‚Grenzphänomen’ Licht her lassen sich Überlegungen zu Räumlichkeit~Bewegung anstellen, aber mit der Zeit hat dieses Licht nichts weiter zu tun, als dass es erstens in und mit Zeit existiert, wie alles Dinghafte, und zweitens zur Information über Vergangenes dienen kann. Das reicht vom Geschehen der nächsten Umgebung bis zur galaktisch entfernten Sternschnuppe. Ich sehe die Gegenwart – Lichtwellen/-teilchen treffen mich gerade – und rechne anhand dieser Information in die Vergangenheit. Und wenn mich die Information schneller erreichen könnte als mittels Licht, würde das nicht die ‚Zeitschranke‘ überwinden, sondern einfach bei dem Umstand zu Ende kommen, dass die Information über ein Ereignis nicht früher als das Ereignis selbst stattfinden kann. Und auch mit dem größten Riesenteleskop ließe sich nicht in die Vergangenheit blicken, sondern nur die Gegenwart feiner erfassen. Alles Weitere ist Rechnen, Rückschließen, Modellbildung. Es ist überall im Kosmos: jetzt. Und diese Urbewusstheit erreichte mich überall, egal in welcher Galaxie mit welcher Geschwindigkeit ich unterwegs wäre, meine Erfahrung des Jetzt ist absolut, sie steht über aller physikalischen Zeitnahme.

Zur Erkundung der Zeit müssen wir uns tatsächlich auf das Erleben rückbeziehen, doch auf ein ursprünglich umfängliches, nicht in Theorie- oder Strategiebildungen schon motivisch eingepacktes ‑ motiviert und euphorisiert aber von der (unterschwelligen) Aussicht auf Identitäts-Überlegenheit durch den Besitz jener Wissenschaft ‑, also nichtursprüngliches und nichtumfängliches. Das ursprunghafte Erleben wiederum kann nicht aufgefangen oder gar beschworen werden, was oft in irrlichternde Sätze führt wie: „Erst mit dem Erleben vollziehen wir Zeit“ o. ä., das hieße sofort es begrifflich zu plastifizieren und so schon wieder zu verfälschen. Wir haben eine vorausliegende Gabe, die Zeit als Dimension des Dass zu erfahren, jegliche Beschwörungen und Begreifungen aber verfehlen dies per se. Hierbei hätten wir sozusagen das subjektivistische Positiv zum objektivistischen Negativ. Aber die Beschlagnahmung von Raum und Zeit durch unsere weithin unphilosophische Physik ist vielleicht das schlimmere Übel, sie isolierte die Zeit vom menschlichen Ur-Eindruck, ins Absolute zu reichen, schmälerte sie um den Schöpfungsimpuls. Da haben wir es nur noch mit Gewordenheit zu tun, die genauso simpel wieder vergehen wird, ein fataler Kurzschluss emanzipierten Be-greifens.

Der moderne Mensch lebt ohne Ewigkeit und Absolutheit, dafür hat man ihm auch noch einige prägnante Denkfehler eingepflanzt, so diesen: „Es gibt keine Gleichzeitigkeit“. Die Zeit wäre ja, wie man voraussetzt, erst Zeit innerhalb physikalischer Prozesse; jene müssten also auf einen absoluten Beobachtungspunkt beziehbar sein, um eine Abgleichung der je systeminternen Zeitpunkte finden zu können. Weil aber jede Beobachtung von ‚Gleichzeitigkeit’ immer systembezogen geschieht - und es keine bevorzugte Beobachtungssituation gebe, auch keine Synchronisierbarkeit von Beobachtungspunkten in zueinander bewegten Systemen auf ein übergeordnetes Metasystem hin ‑, könnten wir nicht von Gleichzeitigkeit sprechen, des weiteren auch nicht von einer Absolutheit der Zeit. In diesen Sätzen liegt eine argumentative Kluft. Es wird schon vorausgesetzt, dass Zeit erst in den Prozessen Zeit sei, und als Erweis dafür reicht die Unmöglichkeit, absolute Zeit – Zeit in das All der Dinge - empirisch zu ermitteln.

Dass aber auch wissenschaftlich von einem Alter des Universums gesprochen wird, steht wieder durchaus im Widerspruch zu dem, was ansonsten über eine immer schon jeweilig systemgebundene Zeitlichkeit ausgesagt wird. Die postulierte Relativität aller Zeitangaben würde hierbei zwar deshalb nicht relevant (der Autor packt jetzt in eine aktive Begründung, was meist nur unausgesprochen mitschwingt zu dieser Frage), weil die Zeitmessung hier keine äußerlich an etwas herangetragene, sondern eine aus dem Stoff selber gewonnene sei. Dessen Gestaltlichkeit folge konstitutiven Gesetzlichkeiten zum strukturellen Aufkommen von Materie~Energie - von der Theoretischen Physik postuliert und von praktischen Anwendungen bestätigt ‑, wie sie im ganzen Universum Gültigkeit haben. Damit könnten wir das Alter unseres Universums bestimmen und zwar mit hinreichender Gültigkeit. Praktisch gesprochen werden allerdings makrokosmische Veränderungen und mikrokosmische Zerfalls- und Umwandlungsprozesse zur Berechnung herangezogen, die keine systemüberlegene Zeitnahme darstellen. Die Relativität aller Zeitnahme und davon ausgehender Modelle ist auch hier gegeben. Und kein ernstzunehmender Physiker würde etwa Gewähr dafür geben, dass ein Teilchenbeschleuniger auch nur auf dem Jupiter, also in nächster Nähe zur Erde, hinreichend kompatible Ergebnisse lieferte, um gegenwärtige Aussagen über den subatomaren Bereich soweit zu bestätigen, dass damit z. B. die Urknalltheorie bekräftigt wäre. Es bleibt die Jeweiligkeit der Messung, und die Universalisierung der Ergebnisse stellt eine unabsehbare Aufgabe dar, gerade in Anbetracht des induktiven, also hochgradig hypothetischen Charakters gegenwärtiger Modellbildung, der da zu hinterfragen wäre. Und auch wenn kosmologische Befunde wie die Existenz einer Hintergrundstrahlung von frappierender Kompatibilität mit bestehenden Formalismen der Beschreibung sind – die ersehnte Einheitstheorie scheint da oft nur noch auf ihren glücklichen Entdecker zu warten ‑, bleiben verstehenskundliche Fragen doch seltsam unberücksichtigt. Man hat wohl kaum eine entfernte Ahnung davon, wie sehr einzelne Aspekte von vorneherein einander zuspielen angesichts einer jeweils favorisierten Modellbildung und schon aufsetzend auf eine Nomenklatur des Zugangs.

Der wahre Zeitpunkt von etwas, also dessen Position auf einer gesamtheitlichen Zeitachse ist aber nicht nur nicht ermittelbar, sondern darf auch nicht von Ermittelbarkeit abhängig gemacht werden. Jene richtet sich eben, als eine praktikable genommen, von vorneherein auf relative Zeit, gewonnen aus Vergleichung von je schon Bestehendem. So können keine Absolutheiten ‚entstehen’, man bewegt sich ja mit allen Messungen schon auf einer eröffneten – bezogenen – Ebene. Auch induktives Denken, von dieser nachgeordneten Perspektive aus, wird nicht zu Aussagen darüber führen können, wovon es schon bedingt wird. Wir können von diesen messungsbasierten Theoriebildungen her nicht auf den Ursprung und auf absolute Zeit schließen. Leider findet sich die entsprechende Wissenschaft selten darein, dass nur sie das – mit ihrem Ansatz und ihrer Methodik – nicht kann, sondern belehrt unseren intuitionsgestützten Hausverstand, dass auch er das nicht können könne. Authentisch erfahrene Gleichzeitigkeit sei logisch eine Illusion. Die Physik geht zwar, schon indem sie 13,7 Milliarden Jahre zum Urknall zurückrechnet, auch von absoluten Zeitpunkten aus, aber eine absolute Gleichzeitigkeit zweier konkreter Ereignisse dürfe nicht behauptet werden.

Wenn über meinem Garten in Westeuropa eine Sternschnuppe verlöscht, kann trotzdem in China gleichzeitig eine Feuerwerkskörperfabrik explodieren, und zwar feststellbar. Wohl kann ich es nicht gleichzeitig erfahren, aber mich mit einem Chinesen über die Uhrzeit verständigen. Dann beziehen wir uns beide auf eine Zeitkonvention, die wir aber als Konvention durchschauen und an unserem jeweiligen Spontaneindruck abgleichen können. Und wenn ein Astronaut von einer rasenden Raumkapsel aus die Ereignisse versetzt wahrnimmt, dürfen wir ihn auch noch mit hereinnehmen in unsere Konventionenabgleichung. Es ändert in der Sache nichts, wenn die Lichtstrahlen von einem konkurrierenden Bezugssystem aus, man nehme gern ein Raumschiff fast so schnell wie das Licht, beobachtet wurden und scheinbar in der gleichen Zeitspanne eine größere Strecke zurücklegten. Mit der Annäherung eines Beobachtungssystems an die Lichtgeschwindigkeit ereignet sich nicht etwa, was immer so schön als Zeitdehnung beschrieben wird, sondern nur eine gedehnte Messung. Auch die unterschiedliche Alterung im berühmten Zwillingsparadoxon bietet keinen Aufschluss über die Zeit, sondern wäre eben ‚biometrische‘ Zeitnahme. Das alles verweist nur auf die Relativität jeglicher Zeitnehmung oder auch jeglicher Beobachtung zum Beobachteten. Wir wissen aber darum intuitiv.

Die Beobachtung ist nicht nur als Unschärfefaktor zu berücksichtigen, sondern – viel grundlegender - als eigenes Ereignis neben das Beobachtete zu stellen! Das wird in den klassischen Beispielen zur Demonstration der Zeitrelativität immer glatt unterschlagen. Da werden drei Ereignisse, nämlich ein beobachtetes und zwei der Beobachtung, so besprochen, als ob sie auf eine einförmige Metarealität hinauslaufen könnten. Mathematisch ausgedrückt, soll eine Funktion mit zwei Variablen nicht nur auf ein eindeutiges Ergebnis hinauslaufen können, sondern auch schon dieses eine Ergebnis sein: (F = x + y) > (F = Ergebnis) > (Ergebnis). Wenn also jemand auf dem Bahnsteig steht – um eines dieser Beispiele zu zerlegen - und mittig zwischen zwei Signalleuchten hindurchblickt, deren Aufblinken dann aus den Augenwinkeln registriert und als gleichzeitiges Ereignis erlebt, ist die Situation genau genommen folgende: Lichtwellen von zwei gleich entfernten Quellen werden von einer systembezogen unbewegten Person wahrgenommen. Darauf bezieht sich die Rede. Vom Zug aus betrachtet kommt nun noch hinzu: Der Fahrgast, als Vergleichsperson, legt während des Aufblinkens eine Fahrstrecke zurück. Entsprechend geschieht eine Wahrnehmung sich überlagernder Ereignisse, die nicht mehr kompatibel ist mit der anderen Wahrnehmung. Aber das ist kein Widerspruch, sondern Darstellung zweier verschiedener Vorgänge, nämlich zweier konkreter Zeitnahmen. Das Quellereignis ist nur jeweiliger Bezugspunkt dafür, es wird primär gar nicht besprochen oder eben: nur vermeintlich besprochen. Faktisch hat man zwei konkrete nachgeordnete Ereignisse auf eine Idealsituation hinverpflichtet, hat sie auf eine beiden vorausliegen sollende Zeitnehmungsidealität zusammengezogen, zu einer Zeitnahme von zwei Systemen her, alles zusammen dann zu einer Metarealität ohne Verhältnishaftigkeit (wie oben formalisiert: Aus einer dreigliedrigen Funktion wird ein monolithischer Term.) Es kann aber eine solche Situativität gar nicht geben, die man hier – unbewusst, unerkannt – konstruiert hat. Also kann sie auch nicht für einen Aufweis von etwas herhalten. Und wenn das Beispiel andersherum aufgezogen wird, nämlich dass der Zug als ruhendes System wahrgenommen wird, und entsprechend der Betrachter mit dem Bahnsteig sich bewegt, ändert das nichts an der Ereigniskonstellation: Licht kommt von den Signalleuchten, der Fahrgast im Zug absorbiert die Lichtstrahlen in Überlagerung mit der Eigenbewegung, der Betrachter auf dem Bahnsteig unüberlagert. Und das kann uns nichts über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Gleichzeitigkeit mitteilen. Dieser ‚Effekt’ (dass die Unterschiedlichkeit zweier Zeitnahme-Situationen zwei unterschiedliche Zeitnahmen bewirkt) lässt sich nur allzu folgerichtig auch im Uhrenvergleich erhärten; selbst für die Atomuhr gilt ja noch, sie liefert keine außerphysikalische Zeitnahme, sondern ist dem sie umgebenden System ausgesetzt.

Es gibt in Sachen Zeit und Gleichzeitigkeit sehr wohl ein bevorzugtes System, nämlich das jeweils ruhendere, was prinzipiell von einem dritten System aus betrachtet werden kann. Man denke einfach an eine Raumstation außerhalb unserer Erdumlaufbahn, die nicht nur den Zug auf der Erde, sondern auch die Erde selbst als bewegt aufzeichnen kann. Natürlich ist auch dieses System wieder bezogen und bewegt, und kann somit keine Basis für absolute Zeitnahme sein, aber was unsere Frage betrifft reicht es ja schon, die Systeme Erde und Zug in ihrer jeweiligen Gesamtheit betrachten zu können. Zwar darf deren Kräftekonstellation - seit der erkannten Äquivalenz von schwerer und träger Masse - nicht ohne weiteres darauf gemünzt werden, dass einmal Gravitation gegeben sei (von seiten der Erde), das anderemal Kraftwirkung (auf den Zug). Es wäre für den Beobachter außerhalb der Systeme ja auch denkbar, dass der Zug eine riesenhafte Masse besitzt und die Erde sich wie ein großer Luftballon um ihn dreht. Wie sollte also jener Beobachter entscheiden? – Er müsste, bei fehlender Möglichkeit physikalischer Bestimmung, nur anerkennen, dass er eine Vorrangstellung eben nicht bestimmen kann. Aber prinzipiell ist das System mit der größeren Massenwirkung das ruhendere. Und die Relativität der Systeme auf weitere Systeme hin lässt sich (prinzipiell) fortführen bis zur Expansionsbewegung des Kosmos, wobei die Zeitnahmen von den unterschiedlichen Systemen aus eine Hierarchie der Gültigkeiten aufwiesen.

Ein absoluter Beobachtungspunkt müsste freilich diese Hierarchie sprengen und sich auf den Kosmos als Gesamtheit beziehen können. Philosophisch formulierbar vielleicht als ‚äußeres wie zentral inneres wie überall inneres Außerhalb‘. Damit wäre allerdings nicht mehr von einem geografischen Punkt, sondern von einer Beobachtungsweise die Rede. Über ein entsprechendes außerstoffliches Sein - das natürlich auch über ‚Antimaterie’ und ‚Paralleluniversen’ dimensional hinausgeht ‑, gibt es schon seit Menschengedenken Ahnungen und Ansätze. Von der christlichen Offenbarung her, getragen durch Zeitalter von Scholastik, Mystik, Aufklärung, ist Folgendes auf uns gekommen: Das kosmische All ist nicht eigentlich das All, sondern die Schöpfung. Ihr Sein verweist auf ein voraus seiendes Ich-bin-der-Ich-Bin Gottes. Und die Zeit hat Gott nicht als zugehörig zu diesem All erschaffen, einmal hineingegeben, sondern sie ist sein Erhalten des Alls. Unsere Seele aber gehört dem Überzeitlichen an.

Ihre tiefsten (und eigentlichen) Entscheidungsinitiationen sind dem zeitlich sich gerade Ereignenden immer schon vorausliegend, sie geschehen mit Zeit, also in> die stets neue Manifestation und Präsentwerdung des dingweltlichen Jetzt hinein. Dieses ‚Grundgeschehen’ ist freilich empirisch kaum greifbar, schon gar nicht regelhaft repräsentativ. Aber würde es einmal eingelassen in die gegenwärtige abgeschirmte ‚Faktizität’ dessen, was sein kann und darf, geriete z. B. die Lichtgeschwindigkeit plötzlich in Konkurrenz zu telepathischen Übertragungsgeschwindigkeiten, die niemand kennt, ja, die vielleicht gar nicht mehr als Geschwindigkeiten bestimmbar sind. Aber das Zeitliche und das Räumliche wären dabei in authentischere Relativität gebracht, nicht zueinander, sondern miteinander: zum Unsagbaren. Und nur für Gott sind tausend Jahre wie ein Tag, und ein Tag wie tausend Jahre.

Solche Sätze können nur glaubend angenommen werden. Auch die Eröffnung des Seins durch Urknall und Raumzeit stellt aber nicht eine bewiesene Tatsache, sondern höchstens eine unbeweisbare Hypothese, wenn nicht nur eine unphilosophisch sprunghafte Spekulation dar. Negativ ausgedrückt, darf ihr gemäß nicht daran geglaubt werden, dass es eine vorausliegende Zeit gebe, vielmehr entstehe Zeit eben erst mit den Ereignissen, so wie der Raum erst mit den Gegenständen. Der vermessbare Zeitfortschritt in physikalischen Prozessen wird dabei mit der Zeit als solcher identifiziert, also ein Wie des Einzelnen mit dem Dass des Ganzen. Das lässt sich freilich nur durchhalten, ansonsten gäbe es hier einen Kategorienfehler des Denkens, indem die Frage nach jenem Dass abgeschafft ist.

Unser ursprünglicherer Eindruck ist eine substanzielle Zeiterfahrung: von einer Tiefe des Augenblicks, von einem Immer-erst-Werden der Gegenwart - der Gläubige: von einem stetigen Ins-Sein-gehoben-Sein der Schöpfung. Damit ist, versteht sich, nicht die neurologisch bedingte Verzögerung des Jetzt-Eindrucks gemeint oder das Erlebnis einer Ausreifung der vollen Bewusstheit über verschiedene Vorbewusstheiten etc. - das würde jene erlebte Substanzialität auch keinesfalls konstituieren können ‑, es handelt sich um etwas dimensional anderes.

Johann Stahuber, Stand 20.5.09