Wahrhaft lebendige Identität ist auch und sozusagen im Ergebnis: Befähigung zu echtem Wollen. Dem Wollen muss dabei, um das tief genug anzugehen, eine übergeordnete Letzt-Qualität zugestanden werden, die nicht schon in lebensweltlich konkretisierten Kategorien wie Beabsichtigen, Vorhaben, Begehren aufgeht, auch nicht in (Be-)Denken, Werten, Urteilen - es veranlasst/betreibt/unterfängt/umschließt diese Manifestationen. Mit ihnen will ich etwas mit mir. Das erst lässt eine eigentliche Bedeutung von Wollen zu, und der Wille ist so frei wie es mir vorkonkret initiativ überlassen ist, mich auf sich konkretisierende Manifestationen (auch ein sich konkretisierendes Mir-gegenüber-Sein) hinentscheiden zu können.

Die Hirnforschung unserer Tage freilich, wie sie etwa von Gerhard Roth und Wolf Singer repräsentiert wird, verfehlt, indem sie sich nur um messbare, eruierbare, repräsentierbare Manifestationen des Wollens kümmert, solche Tiefe von vorneherein. Eine positivistische Auffassung von Realität bindet alles an Quantifizierbarkeit, und so erscheinen die physischen Auslösungen und Wirkungen eines Tuns als real, die Möglichkeit von tiefer seelischen Eröffnungen, welche aller physikalischen Eruierbarkeit vorausliegen könnten, fällt glatt durchs Raster. In der Folge spricht man dem Menschen meist ganz trocken eine transzendente Seelenrealität wie dann auch den Freien Willen ab. Dieser sei nur eine Illusion, welche sich dem Umstand verdanke, dass wir die Vielfalt unserer Motive, wie sie in eine Handlungsbereitschaft hineinspielen, in Echtzeit nicht durchschauen können. Lebensfunktionell sei unser Eindruck, frei zu sein, sehr nützlich, faktisch aber eine Illusion.

Ungeachtet einer ganz strittigen Interpretationshoheit in der feuilletonistischen Debatte meint man dazu auch griffige Nachweise zu haben, gerade indem experimentell feststellt wurde: Im Unbewussten ist die Absicht etwas zu tun, z. B. eine Handbewegung, bereits knapp eine halbe Sekunde vor ihrer Bewusstwerdung als Entscheidung vorhanden. Also alles nur nachträgliche Einbildung und Interpretation, in Wirklichkeit hätte das Gehirn entschieden, nicht das bewusste Ich. „Wir sind die letzten, die erfahren was unser Gehirn vorhat“ so der US-amerikanische Forscher M. Gazzangia.

Doch was heißt hier zunächst ‚die letzten’? Richtiger wäre noch eher ‚die einzigen’. Aber es ist schon haarsträubend falsch zu formulieren, das Gehirn habe etwas vor. Wenn mir ichhaft bewusst etwas als Vor-haben aufscheint, kann ich das nicht in gleicher Weise dem Gehirn zugestehen. Wie könnte ich eine erlebte Phänomenalität und das Erleben, dass sie von mir ausgeht und zu mir in einem Verhältnis steht, zuverlässig einem Etwas zuordnen? Oder sollte vielleicht das Gehirn schon mal bei irgendwem den Anspruch angemeldet haben, ein Bewusstsein zu haben? Erschöpft sich Vorhaben - auch nur irgendwie aufweisbar - in seiner physiologischen Generierung?
Nein – ich habe etwas vor, und das Gehirn dient mir dazu. Wenn auch die Absichtlichkeit, zeitlich chronologisch betrachtet, aus dem Unbewussten hervorgeht, physiologisch generiert von subcortikalen Hirnbereichen, so hat dennoch nicht das Gehirn entschieden, sondern die Seele über eine unbewusste Generierungsstufe.

In den Humanwissenschaften herrscht dazu eine fast schizophrene Position vor. Der Mensch wäre einerseits determiniert, in seinen Handlungsbereitschaften faktisch von physiologischen und Umweltbedingungen bestimmt, was im weiteren bedeutet, auch vollständig gestimmt in seinen Akzeptanzen, zum anderen wird wie selbstverständlich eine höhere Selbstreflexion vorausgesetzt, also eine geistige Position zu seinen Gestimmtheiten. Vom Säugetier homo sapiens wechselt man übergangslos zu diesem Wesen mit freiheitlicher Ansprechbarkeit. Monolithische Triebtheorien, als z. B. die Libido zur alles beherrschenden Urkraft erklärt wurde, sind zwar einem komplexeren Verständnis gewichen; man spricht heute von Motiven und Handlungsbereitschaften, die von einer Vielfalt an Faktoren abhängen. Aber es blieb trotzdem bei der eindimensionalen Determiniertheit unseres Verhaltens. Eine originäre Selbstbestimmung vom Seelischen her, das freie Subjekt, findet heute in den Wissenschaften vom Menschen wenig Raum, geschweige denn Anerkennung. Es gilt fast als ausgemacht, dass es Wahrheit, originär Seelisches, echte Freiheit nicht gibt. Der krasse Widerspruch dabei, von Determiniertheit zu reden, also an jemandes freie Einsichtigkeit zu appellieren, verliert sich allerdings ins Unbesprochene. Wissenschaftliche Autoren, die den Menschen als determiniert betrachten, wenden sich zugleich in einer Weise an ihre Leser, als hätten diese die (freiheitliche) Wahl, Informationen anzunehmen oder nicht. Welche Ebene wird da bedient, obwohl es sie doch erklärtermaßen nicht gibt? Dieser Widerspruch wird aber nicht thematisiert, er fällt meistens einfach unter den Tisch.

Was jenen verzögerten Zeitpunkt in dem Willensexperiment betrifft und dass er als Aufweis unserer Determiniertheit herhalten soll: Die früheste Messbarkeit der Initiation und der Reflexion (als bewusste Selbstvorfindung mit der Initiation sozusagen eine nachträgliche Erfahrung des Tuns in Bezug auf mich selbst) kann natürlich nicht zeitlich zusammenfallen. Die Frage nach einem Bedingungsgefüge von Impuls und Reflexion, also nach einer inneren Struktur des Willensaktes, ist hier aber noch gar nicht gestellt. Es ist nur empirisch erfasst, dass die ichhafte Reflexion jener Initiation nicht in Echtzeit erfolgt und dass es einen unbewussten oder unterbewussten Vorlauf gibt bis zur vollen Bewusstwerdung. Initiation meint bei uns die Annahme/Akzeptanz einer Selbstseinsweise mit dem Entscheidungsvollzug; sie stellt also ihrerseits auch noch nicht den ersten Impuls dar. Hier wäre im weiteren etwa von der Initiative (zur Initiation) zu sprechen, was dann nochmal auf deren - göttliche - Ermöglichung verweist.

Dass eine gesteigerte Komplexität des neuronalen Geschehens die Höhe des Bewusstseinsaktes begleitet, sollte niemanden überraschen. Wenn solcherlei Analogien aber eine Systematik der Abgleichung von bewusstem Wollen und aufgezeichneter Gehirntätigkeit begründen, ist höchste Skepsis angesagt. Vor allem lässt sich der Willensimpuls in seiner spirituellen Tiefendimension überhaupt nicht konkret aufweisen, er lässt sich in solcher Eigentlichkeit nur: erleben. Dass alles Erleben doch erst physiologisch generiert werden müsse, mag jemand entgegnen. Er ist damit jedoch schon einer vorentscheidungshaft empiristischen, vielleicht gar empiriokritizistischen Definition und damit Schmälerung seiner ursprünglichen Introspektion aufgesessen. Warum sollte Bewusstsein ausschließlich rezeptiv sein, also nur mit/nach Gehirnprozessen stattfinden? Wer könnte über Gehirn und Bewusstsein solches wissen? Die Hirnforschung in ihrer materialistischen Fixiertheit vielleicht am wenigsten. Nach unserem doch recht allgemein und recht intuitiv gegebenen Freiheitserleben erscheint viel plausibler: Die erste Initiation von willentlichen Impulsen geschieht in> neuronale Prozesse, von einer Un-räumlichkeit und Un-zeitlichkeit her. Die einfachste Lernpsychologie weiß eigentlich schon, dass Grundmotivation irgendwie von ganz woanders her kommt, dass ich also sinngründig wollen wollen muss, damit mein Gehirn ‚anspringt’. Es ist eben kein geschlossenes System, das, von evolutionären Vorgaben betrieben und von aktuellen Eindrücken gespeist, sich ein Bewusstsein verschafft. Lernfähigkeit, Inspiration, Motivation usw. hängen freilich am Belohnungssystem des Gehirns, aber dieses wieder an meinen personalen Initiationen, und so zielt es auf meine umfänglichen personalen Ansprüche. Denken, Kombinieren, Erinnern, Sinnieren werden dann generiert, wenn ich insgesamt etwas davon zu haben ‚glaube’ - ein unscharfes Wort, es handelt sich um ein vor-gedankliches ‚Geschehen’, ein noch unformuliertes ‚Grundwollen’, wie man es immer nennen mag: die Seele erwirkt sich durch das Gehirn ein Bewusstsein.

Schleichend, noch immer viel zu wenig reflektiert, hat sich in den Köpfen die Reihenfolge vertauscht: Man denkt schon in Aufweisbarkeit, trägt sie wie eine Vorbedingung für etwaige Gültigkeit an alles heran. In der evolutionären Anthropologie z. B. werden aus vorliegenden Funden trockene Befunde kombiniert, aus grob gestrickten Experimenten noch gröbere Schlüsse gezogen, alles strikt nach dem Prinzip des reinen Überlebenskampfes der menschlichen Art, und daraufhin ist zwar eine bestimmte Entwicklung von Intelligenz und Bewusstsein postulierbar, aber keine echte Metaebene der autoritativen Selbstreflexion – z. B. Gewissen unabhängig von evolutiver Dienstbarkeit ‑, also verfällt man gleich gar nicht auf die Idee, dass es etwas ursprunghaft Geistiges geben könnte. Fast die komplette Naturwissenschaft hat verlernt, diese Idee auch nur zu denken. Entsprechend fassungslos steht man den Umfrageergebnissen gegenüber, die unverwüstlich dokumentieren, wie eine nichtwissenschaftliche Bevölkerung stets aufs neue mit dieser Idee anfängt. Der Primat des Geistes, ein klassisches Feld von Philosophie und Theologie, ob nun akzentuiert als außersinnliche Entität oder als interaktives Sich-Einbringen, wird dabei allermeistens nicht an diese verwiesen, sondern erstickt von ausufernder Betriebsamkeit in eigener Sache. Das alte Klischee vom Fachidioten greift heute vielleicht mehr denn je.

Es liegt im gegenwärtigen Diskurs ein arges Fehlverständnis erstens vom menschlichen Wollen und zweitens vom Ich vor. Ich will nicht ‚die Hand bewegen’, sondern zum Beispiel eine Telefonnummer wählen, um einen Termin zu vereinbaren, also: mich selber gestalten/bestimmen in dem größeren Vorhaben, welchem die Handbewegung dient. Selbst bei den bedeutungsfreiesten Laborversuchen wird etwa die höhere Motivation bestehen sich als Versuchsperson zu bewähren, und sei es nur ‚irgendwie‘. Der freie Wille setzt nicht erst bei der konkreten Ausführung ein, sondern bestimmt schon im Vorfeld die Hirnchemie, die Gemengelage von Motivationen. (Aber er tut dies nicht einfach im Sinne von Rückkopplung des Bewusstseinsereignens auf – damit wiederum determinierte – Grundsatzentscheidungen hin, wie derzeit von vielen Neurowissenschaftlern angenommen.) Sondern in einem durchgängigen Prozess der Selbstaktualisierung wirkt er initiativ interaktiv in die neuronale Landschaft, beeinflusst Neigungen, bewirkt Wertungen und Vorentscheidungen, trifft hierarchische Einstufungen usw.

Von meiner Personalität her wird das Gehirn betätigt, natürlich in Wechselwirkung zueinander, aber nicht einfach als zwei Seiten einer Realität. Wie sollte die Entsprechung der Gehirnphysis zur Ganzheit unseres Erlebens aufgewiesen werden können? Die Gehirnforschung beobachtet Abläufe, setzt Messdaten in Entsprechung zu Bewusstseinsvollzügen. Das mag, obwohl die Verfahren angesichts des Gegenstandes weiterhin primitivistisch anmuten, eine hochkomplexe Apparatur etwas aufhellen, für die wesenhafte Selbsterkenntnis des Menschen bringt es nicht viel. Wenn gehirnphysiologische Prägungen und Determinierungen festgestellt werden, sagt dies nichts darüber aus, ob es einen freien Willen gibt, sondern nur, wie sich unser Wollen in schon messbar fortgeschrittenem Stadium ausgestaltet. Wenn die bildgebend repräsentierte Interaktion des Physiologischen mit Erlebnisgehalten auch nur prinzipiell den ganzheitlichen Daseinsvorgang abdecken könnte, wären die Neurowissenschaften tatsächlich in Besitz eines geschlossenen Systems. Alles wäre von messbaren Korrelaten her zu erklären, Geist und Bewusstheit stellten nur noch eine Art organische Aura dar, die das Gehirn zur Selbstorganisation ausbildet. Tatsächlich befindet man sich mit solchen Aussagen schon inmitten  purer Spekulation. Nichts lässt sich hier aufweisen. Verlässlich recht hat die Hirnforschung nur soweit, wie Bewusstseinsvorgänge, unser initiatives Wollen nicht voraussetzungslos vom Himmel fallen. Und wenn sich der Willensakt auf neuronal manifestierte Gewichtungen und Bewertungen stützt, oder auch hirnphysiologisch verfestigte ‚Vorentscheidungen’, so ist damit keinesfalls bewiesen, dass er deswegen nicht frei wäre. Im Gegenteil. Diese operative Ebene geht ja aus einer tieferen vorphysiologischen Dimension - wir sprechen dabei natürlich schon in Gläubigkeit - entscheidungsfunktionell erst hervor.

Frei ist man dabei, was jedem intuitiv einleuchtet, zunächst nicht von etwas, sondern für etwas. Freiheit braucht sozusagen Material. Das gilt nicht nur für die Alternativmöglichkeiten des konkreten Handelns, sondern auch für jene, die sich uns psychisch (neuronal vernetzt) darbieten. Aber wenn die Komponenten, aus denen Entscheidungsfindung besteht, nicht gewichtet und bewertet sind, ist dieses Für-etwas nichtig. Die Gewichtung und Bewertung allerdings kann nicht auf der selben Ebene angesiedelt sein wie das Gewichtete und Bewertete. Man agiert hier sehr oft mit anfängerhaften Kategorienfehlern.

Derlei ontologische Unbedarftheit ist freilich auch bei berühmten Geistesgrößen anzutreffen. Schopenhauers berühmtes Diktum etwa, dass der Mensch zwar tun könne, was er will, aber nicht wollen könne, was er will, hat unser Bestimmtsein von Motiven letztlich auch auf eine Ebene zusammengeschnurrt und dergestalt verabsolutiert. Im Effekt ist eine Linearität des Willens hinter dem Willen eingeführt, und eine Willenskette zu einem dumpfen Urwillen, der das Universum vor sich her treibt. Aber weder dieser noch jener Wille wird einer authentischen Betrachtung des Wollens gerecht. Was ist denn: Wille? Wir sind wieder bei der Eingangsbetrachtung, dass der lebenskonkret ausgestaltete Wille natürlich nicht zusammenfällt mit seinem intitiativen Impuls, ja auf einer anderen - nachrangigen - Seinsstufe angesiedelt ist. Schopenhauer dagegen positiviert eine empfundene Motivationslage als Wille (und Vorstellung.) Und damit ist auch schon klar, dass jegliche Tiefenschichtung von Willentlichkeit nichts anderes sein kann als eine zwar als geheimnisvoll empfundene, aber unverändert einebenige und damit determinierte und determinierende Landschaft von Dynamiken, Affekten und Motiven.

(Mit der gleichen Ungeistigkeit wurde auch schon über Sinn und Widersinn einer Ersten Ursache philosophiert. „Auch diese Ursache müsste dann wieder eine Ursache haben.“ So wäre der historische Gottesbeweis einer Ersten Ursache schon begriffslogisch erledigt. So griffig so einfach. In neuerer Zeit popularisierte das wirkungsvoll etwa Bertrand Russell. Doch gerade der Logiker Russell, dem auch die moderne Sprachphilosophie einiges verdankt, hätte die begriffsbildnerische Selbstaufhebung einer solchen Gegenargumentation erkennen müssen. Unser Begriff der Ursache, soweit er sich von sinnenhaften Erfahrungen ableitet, bleibt freilich schöpfungsintern. Das heißt, wer in seiner Begriffsbildung völlig auf empirisch Eruierbares abstellt, wird nie eine Idee von „Ursache in> Schöpfung“ haben können. Es gibt dann nur Ursachen von gleicher Seinsrangigkeit. Russell ist mit dem frühen Wittgenstein konform gegangen – dass Sinnfragen nicht zum Tatsachenraum gehörten, dass alles Existierende prinzipiell sprachlich abzubilden sei ‑, aber der spätere Wittgenstein – der gelebte Sprachlichkeit betrachtet hat – ist ihm enteilt. Welcher lebensweltliche Zusammenhang bringt welche sprachliche Auffassungsweise hervor? Das hat den Dozenten Wittgenstein zu Zeiten fast ‚narrisch’ werden lassen, Russell hat es scheinbar nicht größer tangiert. Es kann keinen Gottesbeweis der Ersten Ursache geben, wie es keinen Beweis der Untauglichkeit dieses Gedankens gibt. Beides würde zu einer Plastifizierbarkeit und das heißt schöpfungsinternen Isolierbarkeit des (welches doch eigentlich als plastisch > beweisfähig Dingliches Hervorbringendes aufgewiesen bzw. widerlegt werden soll) Geisthaften führen. Unsere Sprache erstreckt sich freilich von vorneherein sinnenhaft verdinglichend auf Geistiges, aber sie tut das – in echt philosophischem Sinne – nicht mit dem Duktus, es solcherart fixieren, erklären oder kontrollieren zu wollen. Solche Rückbindung alles Existierenden auf dingliche Positivierbarkeit wird gerade von der Wissenschaftlerelite im angelsächsischen Kulturraum als ‚common sense’ gepflegt, hat allerdings mit intuitivem Hausverstand nicht wirklich etwas zu tun; vielmehr ist dieser in eine so robuste wie ungeistige Denkmassivität überführt.

Wer Geisthaftes auf Materie reduziert, unser Erleben etwa mit physiologischer Affektation gleichsetzt, der weiß nicht wirklich wovon er spricht. Er spricht nämlich – positiv dieses anvisierend - von Bezügen und Entsprechungen und stellt darauf ab, dass das empirisch Zugängliche zu einem erlebten Geistigen sich verhält, meint jedoch, explizit und exklusiv von diesen Gegenständen, also von Materie und Bewusstsein als solchen, zu sprechen. Diesem Denkfehler voraus geht eine krasse Vereinebnung von Realität: Alles, was ist, muss von zeitlich und geografisch positivierbarer Dinglichkeit sein. Unser real erlebtes Phänomen Meta-Fraglichkeit (anders gesagt: ein Sinnfragen, welches zum Dinglichen als Ganzheit ein Verhältnis aufbaut) wird unbedarft unterschlagen. Von einigen nachgeschichtlich sich dünkenden Denkern wird die Frage nach einem initiativ Ursächlichen oder Übernatürlichem einfach damit abgebogen, dass man sie zur Scheinfrage erklärt. Erst bestimmte weltanschauliche Prägungen hätten eine solche Frage-Idee herbeigeführt. Auch sie stützen sich aber, sowie die Frage keine verstehenskundliche mehr, sondern eine konkrete ist, auf einen allgemein zu akzeptierenden Positivismus. Wissenschaftliche Untersuchungen unserer neuronalen Vorgänge und Erlebnisgehalte wiesen nicht auf irgendwelche Initiation von außerhalb hin, also entspräche all dem kein aufweisbares Seinsaufkommen, also sei bis auf weiteres nicht davon auszugehen, dass hier etwas sei. 

Eine tatsächlich aussagekräftige Empirie hierüber müsste aber in der Lage sein, unsere ganzheitliche Bewusstseinsphänomenalität zu erfassen (und im übrigen verschiedenste Phänomene von Gedankenfernwirkung bis zur Diskontinuität im subatomaren Bereich.) Wissenschaftliche Empirie freilich, und darüber definiert sie sich auch, möchte verlässlich mitteilbar sein, und so zielen schon ihre Fragestellungen auf verlässlich Zugängliches, de facto auf Konkretisierbares ab. Die initiativen Seelenimpulse sind aber gerade nicht konkretisierbar, sie können nur/erst ganzheitlich erfahren werden. Wer also in Sachen Willensbildung auf abbildbare, empirisch repräsentierbare Gehirnprozesse abstellt, bewegt sich schon im Fahrwasser einer abgründigen Vorentscheidung, was sein darf und was nicht.

Bewusstsein ist nicht, obwohl das unsere heutigen sensualistischen und atomistischen Denkmuster nahelegen, sphärisch, psi-energetisch, also schon wieder irgendwie materiell und empirisch aufweisbar zu denken; das sind nur seine Manifestationen/Wirkungen ins Stoffliche. Es im Stofflichen aufgehen zu lassen, um alle Realität empirisch aufweisbar hereinzubekommen, führte entweder zu einer euphorisierten, doch intellektuell völlig ungedeckten Einheitsidee, oder zu einem hitzigen Dualismusproblem zwischen den Sachen (alles Bewusstein Initiierende vom Stein, über den ich stolpere bis zur Gehirnzelle, die eine Informationsverbindung herstellt) und unserer Bewusstheit. Es lassen sich wohl alle möglichen physischen Ausrüstungen und psychischen Zurüstungen erforschen, die in das Ereignis Bewusstsein führen und damit interagieren, aber das Ereignis selbst lässt sich nur – immer neu, von jedem einzelnen von uns, und unübernehmbar durch etwas anderes – erleben.

Und wer die Realität dieses Erlebens dann wieder reduziert auf seine positive Symptomatik, hat an dieser Stelle noch nichts verstanden. Das muss einem großen Teil unserer zeitgenössischen Wissenschaftler attestiert werden: Sie setzen das Sein des Bewusstseins gleich mit seinen, und wenn auch im weitesten Sinne, materiell vorfindlichen Manifestationen. Phänomenalität hat als solche für diese Leute keine Realität. Es ist dann bestenfalls die Rede von Qualia, also Erlebnisgehalten, womit aber auch schon wieder eine Abstrahierbarkeit ins Letzt-Bewusstsein hineingedacht wird. Und eine Wahrheit dahinter, als Realgegenstand metaphysischen Fragens, transzendente Subjekthaftigkeit, unsere Seele, Gott haben in diesem Denken erst recht keinen Platz, weil keine Unterbringbarkeit.

Jeder Denkende, auch die Hirnforscher, muss sich aber fragen lassen: Ist mir meine Art des Denkens, in der ich mich eingelebt habe und die mich auf eine Weise trägt, unterschwellig wichtiger als der Wahrheitsanspruch? Und wer eine solche Frage nicht als akut unbequem empfindet, hat den Anspruch wohl schon verfehlt. Typischerweise verschiebt man heute die Letztbegründung des eigenen Denkens und Schaffens auf eine selbstlaufende evolutive Sammelerfahrung, die uns, menschheitsgeschichtlich wie je individuell, determinierte. Aber diese Auffassungsweise selber ist es, die für eine denkerische Determinierung des solcherart Auffassenden sorgt. Über einen freien Willen kann sie per se keine Auskunft erteilen, der entsprechende Bewusstseinszustand ist ihr fremd. Diese mechanistisch reduzierende Wirklichkeitslogik zwingt originär umfassende Erfahrungs- und Erlebnisweisen unter eine zerlegend isolierende Klassifizierung. Da geschieht keine Phänomenologie des Bewusstseinsvorgangs auf Augenhöhe.

Unser Welt- und Daseinseindruck kann eben generell nicht von einem eingewobenen Anteil seiner selbst – sagen wir einmal simpel dem Denken – authentisch nachvollzogen werden. Menschliches Wollen ist ein vielschichtig komplexer und spiritueller 'High-End-Vorgang', den man nicht auf der sprachlich logischen Ebene festmachen kann, genauso wenig in unbewussten Tiefen oder hirnphysiologischen Prägungen. Auch das Fehlverständnis vom menschlichen Ich liegt oft schon darin, es auf endbewusste Absichtlichkeit hin zu definieren, während man die dunklen unbewussten Größen dem Unbewussten zuordnet. Und dieses Unbewusste dem Ich gegenüber zu stellen, als außerhalb desselben liegend, gar als kompakte Macht, ist wiederum eine so populäre wie irrige Definition. Wissenschaftlich ist das zwar längst aufgebrochen worden etwa mit der Unterscheidung Erfahrungsmäßiges Unbewusstes – Vorbewusstes, und in solcher Weise wurde (bereits von Freud) auch der Begriff des Ich auf den Bereich eines Unbewusst-Seins ausgedehnt, bzw. jenes als konstituierende Größe zum und im Ich verstanden, aber: diesem Erfahrungsmäßig Unbewussten bleibt bis heute nur die Funktion einer überlebenstechnischen Informationsverarbeitung, nicht aber die Funktion einer weiterwirkenden Verzeichnung von Willentlichkeit. Der freie Willensimpuls bleibt weiterhin außen vor.

Die Entität Seele ist ihren physiologischen Bedingtheiten immer auch schon vorausliegend, und die ganzheitliche Kompaktierung unseres Bewusstseins stellt nicht einfach ein Produkt komplexer Faktoren dar, sondern ist ursprunghafte Äußerung der Seele zu komplexen Faktoren, wie ich sie in Identitätsbildung erworben habe. Es bedürfte zur Klärung jener spirituellen Intitiative zunächst einer authentischen Phänomenologie unseres ganzheitlichen Bewusstseins, ungeschmälert, unverfälscht, unmittelbar – was unmöglich ist, weil jede Überführung in Fixpunkte des Begreifens die Phänomenalität in äußerlichere Bewusstseinslagen verfrachtet. Wissenschaftliche Methodik ist hier am Ende der Fahnenstange angelangt, und jedes Kind mit seiner spontanen Freiheitsbefindung ist ihr dimensional voraus.

Johann Stahuber, Stand 13.5.09