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Es
liegt eine große Gefahr von Daseinsverdrießlichkeit darin, das Ich
und die Seelenbildung zu einem konkreten Gegenüber zu machen - wie
das unser Intellekt mit allem tut, was als erklärbar anmutet -,
das verfremdet unsere ureigene Daseinssituation. Falls beim Leser,
was durchaus wahrscheinlich ist, auch mit der Lektüre dieses Buches
technisch abstrakte Übersichtsvorstellungen vom Bewusstsein und
Selbstsein sich auftun, was er vielleicht in allen möglichen Formen
ohnehin schon pflegt, sei deutlich gesagt: Damit ist schon der so
verbreitete wie vergebliche Versuch im Gange, das Bewusstsein von
außen zu gestalten und die Identifikation selber identifizieren.
Diese ebenso typische wie tückische Gleichsetzung des ganzheitlichen
Bewusstseins mit dem von uns gestaltbaren und, so und so weit,
konkret erfassbaren ‚Anteil’ daran ist ebenso ausfüllend (mein
Bewusstsein) wie irreal. Zudem erweist sich das als öde und
deprimierend, weil es auf eine Übernahme unseres seelischen Seins
durch Konkretes hinausläuft; unser tiefstes Sein erscheint dann
sächlich. Ja, wir sollten an unserem Ich dran sein, genauer über
das Ich die Seele gestalten, aber nicht in einer versachlichten
Perspektive auf
das Ich.
Und unter diese Perspektivität fallen die meisten
bewusstseinsgestalterischen Ansätze, von der 'Erlangung mentaler
Selbststeuerungskompetenzen' bis hin zum 'Biografisch integrierenden
Lernen'. Unser Sein in Ich ist nur dann wirklich ein solches, wenn
wir dieses Wesenserleben nicht schon als solches zu identifizieren
trachten. Ein Ansatz, ein Grad von Identifizierung >
Konkretisierung des Wesenserlebens ist wiederum natürlich und
notwendig, und sie als solche zu verweigern, wäre nur im Negativ
jene Perspektive auf
das Ich.
Nun
gibt es gerade seit der Moderne recht präzise Definitionen, was denn
unter dem Ich zu verstehen sei. Diese Abhandlung stützt sich auf
keine von ihnen, sondern lediglich auf ein allgemein menschliches
Grunderleben, dass es hier um eine Wirklichkeit geht. Diese
Wirklichkeit wird dann sehr wohl präzisiert, aber nicht etwa auf
Anwendbarkeit oder eine privilegierende Erkenntnis hin.
Wer
ein Raffinement bei der Identitätsbildung anstrebt, wird so etwas -
und die vertrackte Selbsttäuschung inklusive – zielsicher mit der
populären spiritualistischen Literatur erlangen. Bei den meisten
psycho-esoterischen Autoren, aber das reicht auch weit in den
anerkannten Teil der Psychologenschaft hinein, ist es geradezu ein
Kennzeichen, dass die Ichdefinitionen griffig und anwendbar sind.
Fast immer weisen sie eine ebenso reduktionistische (Ichkonzepte als
anwendbar verfüglich) wie ausufernde (das ganze Leben wird
terminologisiert auf jene Konzepte hin) Ideenhaftigkeit auf, liefern
psychotechnische Anleitungen, wie ich mit
meiner
Seele umzugehen hätte. Da wird man dem Ich aus der Hand genommen, um
das Ich in die Hand zu bekommen. Besonders seit die Wissenschaft alle
Autorität übernommen hat, auch in Geistesfragen, und ein
modellhaftes Realitäts-Vorstellen das Denken bestimmt, inzwischen
wohl immer mehr ein computeranimiert vorgestellter Realitäts-Flash,
wird auch die Seele in jenes sachlich betrachtbare Gegenüber
gerückt.
Modellhaft
umgegangen wurde mit dem Thema vielleicht schon immer, oft ja auch
erklärtermaßen, in Diensten einer umfassenden Welterklärung oder
eines therapeutischen Ansatzes. So hat Sigmund Freud das Ich als
Instanz definiert, welche zwischen den Anforderungen der Umgebung,
die als Überich verinnerlicht seien, und dem Triebhaften, dem Es
vermittle.1
Von hier aus ließ sich eine ganze Seelenkunde entfalten, ein
stringentes Bezugssystem mit systematisierbaren Störfällen. Die
seelische Dimension des Menschen war freilich auf die eines reinen
Triebwesens reduziert. System sprengende Sinnfragen und höhere
Spiritualität, die über aller Naturgesetzlichkeit steht und je
individuell aufscheint und sich jeder methodischen Erfassung
entzieht, blieben außen vor bzw. wurden über Stichworte wie
Sublimierung im System untergebracht. Doch schon was das Ich angeht,
ist dieses eben keine vorauszusetzende Größe im Menschen - es kann
sich auftun und verflüchtigen. Wenn es nicht ‚da’ ist, empfinden
wir zwar den Anspruch darauf, fühlen die Grundsehnsucht nach einem
Sein-in-Ich, aber unter dem Ich ist nicht eine gegebene Instanz,
sondern mehr der gelingende Vollzug einer Dimension zu verstehen;
erst von hier aus erhält es Positivität. Natürlich wurde das auch
schon von Freud thematisiert, besser gesagt gestreift, als
Möglichkeit des Selbstverlusts in verschiedenen Facetten, aber eben
nicht als positive Problematik der Freiheit, die jeder Theorie der
Seele zentral innewohnen müsste. J.-P. Sartré hingegen, mit seinem
verabsolutierten Freiheitsbegriff, verneint jegliches substanziale
Ich. Von einem Ich zu reden, sei nur ein Verlegenheitskonstrukt
angesichts der erlebten Einheit unseres Bewusstseins.2
Karl Marx wiederum, der im menschlichen Wesen nur ein Ensemble der
gesellschaftlichen Verhältnisse sieht, hat jedes seelisch Originäre
unseres Selbsterlebens aufgegeben oder auch preisgegeben zugunsten
einer Totalität gesellschaftlicher Prozesshaftigkeit.3
Neuere Richtungen wollen alles von physiologischen Prozessen ableiten
und z. B. evolutionsbiologisch rekonstruieren, welche geistigen
Module sich wozu herausbilden. Das Ich wird dabei oft wieder als
gegebene Instanz gedacht, die organisatorisch mit Gehirnsignalen
verfährt, oder aber als Illusion gedeutet, die uns lebensfunktionell
darüber hinwegtäuschen soll, dass da nur ein kognitives Netzwerk am
Verarbeiten, Bündeln und Ausfertigen von neuronalen Impulsen ist.4
All
das widerspricht unserer tiefen Erfahrung, die ein ursprunghaftes
Selbstgefühl immer schon voraussetzt. Wir erleben das – falls es
nicht abgeblockt oder überdeckt bzw. uns von allzu pfiffigen
Theorien effektiv ausgeredet wird - als vorausliegendes
Angesprochensein. Es liegt real über
und vor den
Situationen, wie sie uns lebensweltlich endbewusst erreichen, und
entsprechend auch über der gesellschaftlich konventionalen
Heranbildung von Ichverständnissen. Es ist unserer physiologischen
Signalverarbeitung ‚interaktiv vorausliegend’. Das ist hier
freilich schon in der Sprache des Glaubens formuliert. Ja, der Autor
dieses Buches glaubt,
dass
wir von Anfang an subjekthaft sind.
Überhaupt muss (und kann)
das Ich über seine Funktionalität nicht belehrt werden. Themen und Motive,
Wünsche und Vorstellungen, und was alles unser Seelenleben ausfüllt, streben
einer ich-zentrierten Daseinserfahrung zu bzw. gehen erst davon aus. Um dem
Ichsein dienstbar zu werden, müssen sie wohl eine bestimmte Charakteristik
aufweisen, doch wird ihre Abweisung oder Zulassung auf unser Ich hin – eine
geheimnisvolle seelische Leistung – dann auch schon über das Ich getätigt;
wir wollen nur auf eine bestimmte Weise ich sein.
Jeder
von uns wird sich z. B. an Situationen erinnern, in denen er von sich
selbst berauscht war, vermutlich nur vorübergehend, ja im Ergebnis
blieb vielleicht nichts als die Zerstörung einer (weiteren)
Illusion. Es hatte sich ein Ich gezeigt und wieder verflüchtigt.
Geht es in diesem Buch womöglich darum, wie man ein solches Ich
halten könnte? – Nein, und es wird sich ohnehin nur um ein
betriebenes Ich gehandelt haben, typischerweise begleitet von der
euphorischen Aussicht, ich könne mich nun auf den Schwingen eines
Ichbildes von den kleinkarierten Zusammenhängen des Lebens abheben.
Aber das fällt erfahrungsgemäß immer in sich zusammen.
Geht
es also vielleicht um die Rückstufung oder gar Vermeidung von
Ichbildern? Wie das etwa in der orthodoxen Frömmigkeit anzutreffen
ist, Selbstverleugnung, wie ja im Evangelium gefordert, als
Selbstauflösung. Das führt im Effekt aber zu dem schon
angesprochenen Negativ des Ichs, und dies dann wieder plastisch und
konkret positiviert. Auch das Negativ ist freilich in allen möglichen
Gestalten zu finden, besonders häufig in klügelnd offensiven
Konzepten intellektueller Frömmigkeit. So trägt sogar noch der von
C. S. Lewis dargelegte Optimalzustand des Bewusstseins, sein Ich am
besten ganz zu vergessen, diese Problematik der konzeptionellen
Ich-Bezugnahme in sich.1
Auch die Vermeidung/’Vergessung’ des Ichs ist eine Form von
Betreibung desselben (und die tiefere Demut bestünde darin, nach
einem gottgewollten Maß von Ichbewusstheit zu streben.)
Und
jedwedes getätigte Ich, ob unter positivem oder negativem
Vorzeichen, steht dem tätigen
Ich
entgegen. Um dieses geht es – die aktive Realität meines
Selbstseins.
Alle
reduktionistischen Theorien über Identität und Intentionalität
haben einen ‚Vorteil’ – in tiefster Seele glaubt man sie nicht.
Ein Hirnforscher mag die Freiheit des Willens leugnen und Identität
als notwendiges Ergebnis von Einflüssen und Signalverarbeitung
betrachten, das wird ihn nicht dazu bringen, sich als unfrei zu
erleben, eher im Gegenteil: Das vermeintlich erlangte Wissen über
unsere Unfreiheit verschafft seiner Identitätsbildung einen
empfundenen Startvorteil, und seine Identifikation wird es in die
Identitätsbildung integrieren – aber nicht als wahre Darstellung,
so dass er etwa die Selbstwahrnehmung als Autorität seines Wollens
verlöre, sondern nur als lebenstechnische Privilegierung mittels
eines überlegenen Wissens. Echte Interferenzen hingegen sind zu
befürchten, wenn sich Theorien wirklich auf unsere – immer nur
erlebbare – Ganzheitlichkeit erstrecken.
Mit
der Besprechung von Dingen und Zusammenhängen leidet nur allzu
leicht deren vitale Wirksamkeit. Doch ist auch das ein Gesetz: Wo der
Mensch die Selbstverständlichkeit, in welche er von Kind auf verfügt
war, reflexiv gebrochen hat, bleibt eine Offenheit, die er
thematisieren muss. So heißt es den Verstand einsetzen und nicht
ersetzen, etwa durch das Diktat eines ‚natürlichen’ Wunsch-Ich.
Jedes Ich wird zur Maske sowie ich das Denken in seinen Dienst
stellen will. Aber auch die erklärte, vielleicht schon spitzfindig
lauernde Aufdeckung und Verweigerung von Masken mündet in eine
selbstreferenzielle Projektion. Das Ergebnis ist dann kein
dynamisierendes Ichbild, sondern ein dynamisch konzeptioneller, im
Effekt ebenfalls ich-doktrinärer Modus, wie man das Leben an sich
heranlässt.
Man
hat oft den Eindruck, dass wir heute in dieser ureigenen
Angelegenheit unserer selbst nur noch von Fraglichkeiten umgeben
sind. Damit haben sie, die Fraglichkeiten bis hin zur manischen
Hinterfragung unseres Ichs, in gewisser Weise doch Eingang gefunden
in die gesellschaftliche Diskussion, in den Kanon unserer
Verständigung, freilich unterschwellig, als Geistesklima und
Atmosphäre der Verunsicherung, weniger auf der Ebene der
alltagssprachlichen Lebenswelt. Inzwischen macht sich zwar auch eine
gesellschaftliche Tendenz bemerkbar, jeder Selbstproblematisierung
lustvoll überdrüssig zu sein, sie in Bausch und Bogen zu verwerfen
und aufzugeben zugunsten einer schlanken Überlebenshärte in unserer
globalisierten Welt.
Also
be-denken wir, was hier an Fragen aufgeworfen ist, doch ohne ihre
Lösung im ausdrücklich Denkerischen zu erwarten oder auf ein
identitätskonzeptionell einsetzbares Wissen abzuzielen. Der Inhalt
dieses Buches kann auch gar nicht, im klassischen Sinne, gewusst
werden. Wissen als in Ichbildung sich vollziehender Daseinszugriff
kann in dieser Bedingungshaftigkeit nicht 'sich selber wissen'. Die
Identifikation kann nicht auf sich selbst – als auf etwas zu
Identifizierendes – abheben. Diese Selbstaufhebung bedeutet eine
Grenze für die Macht unseres Wollens. Aber unsere Fähigkeit zur
Identifikation > Identitätsbildung hat einen anderen Sinn: Modul
der Freiheit mit
deren
Bedingungen zu sein.
Johann Stahuber, Stand 16.03.2015 | ![]() | ||||||
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